"Der Ring ruft"

So lautet die Losung eines guten Freundes, der schon längere Jahre mit seinen Fahrzeugen auf Rennstrecken unterwegs ist, den Nürburgring bereits in jungen Jahren als Beifahrer seines Vaters befahren durfte und dabei Blut leckte. Dieser Freund (ja, der mit dem VM77) hat mich erst an den Motorsport herangeführt. Und mir im Juli 2004 die Nordschleife gezeigt. Seitdem gilt auch für mich: alle paar Monate werde ich kribbelig, ich höre Stimmen, die mir sagen

Kannst Du es hören? "Carsten, komm' her"
Und der Ring ruft wieder...

Dann wird es Zeit, die 700 Kilometer Anfahrt in Kauf zu nehmen und die Nordschleife des Nürburgringes zu befahren.

 

Close Encounter Of The Fourth Kind - ganz nah dran

Zum erstem Mal - wie bereits angedeutet - lernte ich die Nordschleife am 30.07.2004 kennen. Nachdem ich wenige Monate zuvor über ein Internetforum den Hobbymotorsportler Klaus kennenlernen durfte und sich über die Monate speziell durch mein Interesse für Motorsport und mehrere Besuche in den Fahrerlagern verschiedener Rennstrecken eine Freundschaft andeutete, fuhren wir eigentlich nur gemeinsam zu einem Forentreffen in das Ruhrgebiet. Es bot sich aber an, tags zuvor noch die Nordschleife zu besuchen, da diese ja nur einen größeren Katzensprung vom Pott entfernt liegt. Dort hat man ja die Möglichkeit, die historische Rennstrecke im Rahmen von so genannten "Touristenfahrten" selbst zu befahren, unter bestimmten Auflagen, kostenpflichtig. Die landschaftlich sehr schön gelegenen Kurvenkombinationen der rund 20,8 Kilometer langen Strecke durch die Eifel lohnen jeden Cent der 15 Euro Rundentarif.

Da wir mit dem großen Audi A8 von Klaus unterwegs waren, gestaltete sich die Anfahrt sehr angenehm. Die unausweichlichen Fahrten mit der großen Limousine über die Nordschleife mutierten für mich zu einem Abenteuer, welches ich sogar auf Video (Download siehe unten *) festgehalten habe. Die Bremsen des Audis waren nach etwa der Hälfte der Strecke so stark überhitzt, dass aufgrund von Fading das Fahren am Grenzbereich nicht mehr vertretbar war, die Zeit blieb so auch auf "nur" etwa 11:30, gemessen von Ausfahrt zu Einfahrt, also eine wirklich volle Runde. "Normalerweise" misst man von der Brücke an der Antoniusbuche bis zur Schilderbrücke Döttinger Höhe, was rund eine Minute Abschlag ausmacht (BTG - Bridge To Gantry). Die so gemessenen Rundenzeiten betrugen 10:25 und 10:29. Später in der Werkstatt stellte sich übrigens heraus, dass die Bremsscheiben schlicht ausgeglüht waren, erneuert werden mussten.

* Video-Download -> Eine Runde im Audi A8 auf der Nordschleife
(Achtung, großer Download, 52.8MB, DivX, 12:53, 320x240, 128kbps)

Klaus war sogar so nett, mir nach zwei Fahrten auf dem Beifahrersitz noch selbst eine Fahrt in seinem Wagen anzubieten, aber leider lief uns die Zeit davon, weshalb es 2004 nicht mehr zur Selbstfahrt kommen sollte. Erst am 13.11.2005 sollte ich erneut zur Nordschleife kommen, diesmal im eigenen Auto, dem für Hockenheim angeschafften Opel Speedster Turbo, Klaus erneut in seinem Audi. Auch hier ging ein Forentreffen in Thüringen voraus, am gleichen Abend ging es weiter nach Adenau, dort wurden im Wilden Schwein Zimmer bezogen und am nächsten Tag wollte man den Ring ausgiebig genießen. Nach einer recht kurzen Nacht bemerkte ich noch im Hotelbett liegend merkwürdig zischende Fahrgeräusche auf der Hauptstraße direkt vor dem Fenster. Ich schaute hinaus und erstarrte: Eifelwetter, strömender Regen, also schlechteste Voraussetzungen für eine Debütfahrt über den Ring mit einem noch neuen und als Mittelmotorfahrzeug besonders bissigen Fahrzeug. Mir ging unmittelbar der Stift.

Gegen 9 Uhr fuhren wir dann erst einmal tanken, um uns danach mit einige Freunden verschiedener Foren zu einer Erkundung der alten, inzwischen nur noch in schwer erkennbaren Resten existierenden Südschleife zu widmen. Vielen Dank dafür an die Organisatoren des Speedheads-Forums!


Die Steilstrecke der Südschleife im November 2005. Hier geht es so stark bergauf, dass wir uns auf dem Laub kaum noch halten konnten.


Die Südschleife ist an den heute noch befahrbaren Stellen lediglich unscheinbares Straßenland. Ein geübtes Auge erkennt noch alte Streckenposten.


Ein Schrottplatz gleich neben der ehemaligen Rennstrecke. Das scheint nicht nur sinnvoll, es ist sogar so. Immerhin hat allein die Nordschleife rund 200 Menschen ihr Leben gekostet.

Nachdem die Erkundung der alten Südschleife abgeschlossen war, hatte der Regen bereits aufgehört, aber alles war nass und überall hingen mehr oder weniger dichte Nebelschwaden.


Die Einfahrt der Nordschleife am Tiergarten, 13.11.2005 vormittags.


Die Ausfahrt der Nordschleife Döttinger Höhe Blickrichtung Galgenkopf Höhe am 13.11.2005, der Nebel ist sehr dicht.

Große Lust befiel mich nicht bei dem Gedanken, die Nordschleife das erste Mal bei solch einem Wetter zu befahren. Der Streckenverlauf war mir zwar schon recht gut bekannt, da ich viele Videos gesehen und viele Stunden Training mit Gran Turismo 4 auf der Playstation hinter mir hatte, jedoch ist die Realität doch etwas ganz anderes, hier geht es um die eigene Gesundheit, das eigene Blech (bzw. Kunststoff), den man sich beschädigt oder gar zerstört. Hier heißt der kleinste Fehler nicht "Replay?", sondern schlicht "Game Over!".

Ich entschied mich, mir dennoch eine Karte zu kaufen, allerdings erst einmal bei Klaus im Audi mitzufahren. Er war zwar vom Wetter ebenfalls nicht begeistert, aber hat Erfahrung genug, das einigermaßen locker sehen zu können. Es war dennoch eine heikle Rutschpartie. Zwei Tonnen Automobil bei regennasser und seifiger Fahrbahn um den Ring zu prügeln. Ich weiß nicht, welche Zeit wir benötigt haben, aber so 12 bis 13 Minuten dürften realistisch sein. Auch hier gilt allerdings wieder: von Einfahrt zu Ausfahrt, also nicht von Antoniusbuche zur Schilderbrücke Döttinger Höhe.


Mein erstes Streckenticket!


Fuchsröhre.


Einfahrt Caracciola-Karussel im leichten Nebel.

Nach der Fahrt als Beifahrer haderte ich mit mir noch eine Weile. Das Wetter ist extrem unbehaglich, das Fahrzeug bei Nässe unbekannt (Lizenztraining in Hockenheim war trocken!), die Fahrt im Audi bereits eine Rutschpartie... Aber ich wollte unbedingt raus, nicht umsonst die vielen Kilometer gefahren sein. Wenn man bereits hier vor Ort ist, dann muss man auch fahren!

In einem unverdächtigen Moment setzte ich mich von der Gruppe ab und bereitete mich und das Fahrzeug vor, fuhr dann auch ohne weitere Denkphase los. Machen, einfach machen!

Mein erster Eindruck am Abhang hinter der Brücke am Tiergarten: "Herrje, ist das alles eng hier! Und steil..." Auf der Playstation bekommt man zwar den Streckenverlauf gut mit, aber es fehlen vor allem die Informationen des "Popometers", also das Gefühl für das sich unter einem befindliche Fahrzeug. Aber genau dieses Gefühl ist es, was ein Beherrschen des Fahrzeuges in Grenzbereichen überhaupt erst möglich macht.

Dann ging es in den Hatzenbach hinunter. Im Bereich Hatzenbach 3 brach bei wirklich nur sehr leichtem Gasgeben mein Heck nach links aus. Ich fing den Wagen sauber ab, aber der folgende Adrenalinstoß reichte aus, die restliche Fahrt wirklich sehr ruhig angehen zu lassen. Dennoch überholte ich direkt vor und am Wehrseifen mehrere recht langsam fahrende PKW's, unter anderem ein Golf II und ein Subaru WRX STI, der ohne weiteres erheblich schneller hätte machen können. Im Bereich Schwalbenschwanz dann schloss ein Golf 4 GTI TFSI langsam auf, kannte die Kurven auch bei Nässe eindeutig besser als ich. Er schaffte es aber auch auf der Döttinger Höhe nicht mehr vorbei, der Speedster ist im Anzug einfach ein Monster. Und auf der Geraden konnte ich ja problemlos aber gefühlvoll Vollgas geben.

Angespannt aber glücklich kam ich zurück zum Parkplatz an der Einfahrt zur Strecke. Meine Jungfernfahrt lag hinter mir. Ohne dabei Schrott zu produzieren, trotz sehr widriger Wetterumstände.

Klaus sagte später bei einer Tasse Kaffee zu mir, dass er bei sich gedacht hat: "Wenn er heute nicht fährt, findet er immer wieder eine Ausrede. Heute ist es das Wetter, beim nächsten Mal ist es was anderes..." Das war eine sehr kluge Aussage, denke ich. Entweder man will etwas, und macht es dann auch irgendwie möglich, oder man rennt weg. Feuerprobe insofern bestanden.

Einige Tage nach Rückkehr nach Berlin wurde ich von einem Bekannten darauf aufmerksam gemacht, dass es von meiner Fahrt ein Photo gibt, und zwar vom Brünnchen. Ich schrieb den Photograph Herrn Schramml von Ringbild an und er überlies mir freundlicherweise das Bild zur weiteren privaten Verwendung. Vielen Dank dafür!

Und so habe ich auch dafür eine bleibende Erinnerung:


Lässige Lenkradhaltung bei entspannter Fahrt am Brünnchen. Sieht nicht sehr feucht oder nass aus, war es aber.

Mit Sicherheit war das nur der Auftakt, werde ich noch häufig wiederkommen!